Tagebücher

Brandbekämpfung in Zeiten des Klimawandels

Bisher hat es der Feuerwehr der mittelhessischen Stadt Lollar noch nie an Wasser gemangelt – zu verdanken ist das einer gut ausgebauten Infrastruktur. Doch der Klimawandel verändert ihre Arbeit. Stadtbrandinspektor Marco Kirchner sieht für die Zukunft große Herausforderungen. Kommt das System bald an seine Grenzen? Was seine Lösungsvorschläge sind.

 

Die Freiwillige Feuerwehr der Stadt Lollar kann bei der Brandbekämpfung auf eine gute Infrastruktur zurückgreifen. Ihnen stehen Löschfahrzeuge zur Verfügung, mit denen sie problemlos 7,5 Kubikmeter Wasser zu einem Wohnungsbrand mitbringen können. Brauchen sie mal mehr, kann die Feuerwehr ihre Löschmittelbehälter über das Trinkwassernetz nachspeisen. Brennt es an abgelegenen Orten ohne Rohrleitungen in der Nähe, stehen ihr Brunnen, Zisternen, Flüsse oder Löschteiche zur Verfügung. Im Extremfall gibt es sogar flexible Wechsellader- und Sonderkonzepte, in denen Großtanklöschfahrzeuge und Wechsellader Löschwasser mit zusätzlichen Wasserreserven aus einem zukunftsweisenden Landkreis-Fahrzeugkonzept angefordert und bereitgestellt werden können. Die Frage ist allerdings: Wie lange funktioniert das noch?

 

Trockenübung ohne Wasser auf dem Schlauch


Klimawandel als Ursache für Waldbrände

Denn das Wasser in den Bächen wird weniger, und abgesehen von dem verregneten Ausnahme-Jahr 2021 werden die Sommer heißer. In Zukunft könnten die Löschkonzepte an ihre Grenzen kommen. Eine besondere Gefahr: Waldbrände. „Kollegen aus anderen Landkreisen haben mir von schlimmen Waldbränden erzählt, deren Ausmaß sie zuvor noch nie erlebt hatten. Hier braucht man unendlich viel Wasser, so viel kann man gar nicht am Anfang schon mitbringen“, erzählt Kirchner. Um Waldbränden entgegenzuwirken, sind alle gefragt, Kommunen, Wasserversorger, Feuerwehren und das Land. „Das wird eine riesige Aufgabe für die Zukunft.“ Schuld ist der Klimawandel. Drei aufeinander folgende Dürre-Sommer haben Waldbrände begünstigt und außerdem Bäche austrocknen lassen.

 

„Waldbränden entgegenzuwirken wird eine riesige Aufgabe für die Zukunft.“

Marco Kirchner, Stadtbrandinspektor der Stadt Lollar

 

In seiner Doppelrolle als Stadtbrandinspektor und Wassermeister weiß Kirchner aber, dass die Arbeit der Feuerwehr oft mit der der Wasserversorgungsunternehmen konkurriert. Denn die Feuerwehr greift auf die Infrastruktur der Wasserversorger zurück. Um Leitungen zu schonen und Wasser zu sparen, verwendet die Feuerwehr schon gar kein Wasser mehr zu Übungszwecken. Kirchner weiß außerdem: Nicht die Wasserversorger sind verantwortlich für ausreichend Wasser, sondern die Kommunen. Diese bedienen sich zur Erfüllung ihrer Brandschutz-Aufgaben aber in der Regel auch der Infrastruktur des Wasserversorgers.

 


Interkommunale Zusammenarbeit gegen Wasserknappheit

Trotz der Herausforderungen kam die Feuerwehr Lollar noch nie in die Situation, in der sie löschen wollte, aber kein Wasser verfügbar war. „Das Gefahrenabwehrsystem in Deutschland ist sehr gut ausgebaut. Doch damit das so bleibt, müssen wir noch mehr in unsere Infrastrukturen wie Wasserleitungen und wasserführende Fahrzeuge investieren“, meint Kirchner. Er empfiehlt zu überlegen, Tiefbrunnenstandorte neu zu errichten, an strategisch günstigen Stellen Löschwasser zu entnehmen und auch Brauchwassersysteme zum Löschen benutzen.

Mit interkommunaler Zusammenarbeit und Rohrnetzverknüpfungen verschiedener Gemeinden bzw. Versorgungsunternehmen kann seiner Meinung nach Wasserknappheit auch in Zukunft verhindert bzw. die Versorgung optimiert werden. Es brauche Synergieeffekte wie eine gleiche Technik und Ausbildung. So haben die Feuerwehren des Landkreises Gießen auf seine Initiative hin genormte Systemtrenner beschafft, die die Versorgungsleitungen schützen, indem sie das Rückfließen und Rückdrücken von kontaminiertem Wasser verhindern.

 

„Weitermachen wie bisher ist keine Option. Wir müssen unser Verhalten ändern und bewusster mit Wasser umgehen.“

Marco Kirchner, Stadtbrandinspektor der Stadt Lollar

 

Doch auch jeder einzelne kann etwas bewegen. „Wir müssen verinnerlichen: wie jeder andere Rohstoff auch ist Wasser endlich. Ich habe daher für mich entschieden, auf einen Pool oder eine ausgiebige Gartenbewässerung zu verzichten“, erklärt Kirchner. Denn gerade im Hochsommer belasten diese beiden Dinge das Wassernetz stark. Er empfiehlt daher, das Wasser eines Pools nur einmal im Jahr zu tauschen. „Weitermachen wie bisher ist keine Option, wir müssen unser Verhalten ändern und bewusster mit Wasser umgehen.“

 

Über Marco Kirchner

Seit seinem 14. Lebensjahr ist Marco Kirchner bei der Freiwilligen Feuerwehr von Lollar. Er mochte es schon immer im Team, mit Menschen zu tun zu haben und sich für sie einzusetzen, selbst in größter Not. Die schlimmsten Einsätze für ihn sind die Suizide an der nahegelegenen Bahnstrecke. Lieber hat er es, wenn er Leben retten kann. Seine Kameraden schätzen sein Engagement und haben ihn deswegen 2006 zum Stadtbrandinspektor gewählt. Auch hauptberuflich hat der Ehrenbeamte viel mit Wasser zu tun: Als Wassermeister des Zweckverbandes von Lollar-Staufenberg. Die Synergien kommen seinem Team zu gute: Er weiß immer, wo im Ort es Wasser gibt und wie viel.

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